Soziales Netzwerk auf vier Rädern
Lars Köppler 03.11.2015 

Der Run auf den Ottersberger BürgerBus ist auch gut vier Jahre nach der Jungfernfahrt am 1. November 2011 ungebrochen. Julia Alley und Arne Krüger-Brörken gehören zu den Stammkunden des Beförderungsmittels, das die ehrenamtlichen Fahrer und Fahrerinnen täglich quer durch die gesamte Gemeinde lenken. Neulich erlebte das junge Paar aus Fischerhude allerdings eine Tour der ganz besonderen Art. Plötzlich standen sie im Mittelpunkt des Interesses – Julia Alley als 100 000. und Arne Krüger-Brörken als 99 999. Fahrgast des Ottersberger Bürgerbusses.

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Weil Julia Alley als 100 000. Fahrgast mit ihrem Partner Arne Krüger-Brörken (rechts) in den Ottersberger BürgerBus stieg, erhielt sie jetzt Blumen aus den Händen von Fahrdienstleiter Rolf Schulze, Bürgermeister Horst Hofmann und Angelika Pohlmann (von links).(Focke Strangmann)

„Der BürgerBus ist sehr praktisch. Wir haben keinen Führerschein und nutzen den Bus deshalb regelmäßig“, sagte Julia Alley gestern am Rande der kleinen Feierstunde im Rathaus, bei der es Blumen und Süßigkeiten für die beiden Vielfahrer gab. Auch Arne Krüger-Brörken, der in der Gärtnerei des Quelkhorner Parzival-Hofs arbeitet, ist angetan vom dem Bürgerbus-Modell. „Ich finde es schön, dass es hier so etwa gibt“, sagte der junge Mann, der im Fischerhuder Inselhaus lebt und stark von der guten Busanbindung profitiert.

Welche Erfolgsgeschichte der Ottersberger BürgerBus in den vier vergangenen Jahren tatsächlich geschrieben hat, verdeutlichte Stefan Bendrien vom ZVBN (Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen) mit seinen Zahlen. Demnach seien 269 Bürgerbus-Modelle in Deutschland in Betrieb, 50 davon Niedersachsen. Und die Entwicklung des Ottersberger Systems habe ihn „glatt umgehauen“. So sei der Ottersberger BürgerBus gemeinsam mit dem Modell aus Ganderkesee der „mit Abstand erfolgreichste“ unter den 20 im ZVBN-Gebiet. „Der BürgerBus passt einfach sehr gut in diese Zeit, denn er baut Brücken“, spielte Stefan Bendrien auf den demografischen Wandel und die steigende Immobilität bei älteren Menschen an.

Bendrien räumte ein, dass er am Anfang mit einem derartigen Erfolg in Ottersberg nicht gerechnet habe. Für ihn sei der BürgerBus ein soziales Netzwerk, ein Stück regionale Identität. Eine Erklärung für die hohe Akzeptanz des Bürgerbusses in der Bevölkerung hatte Ottersbergs Gemeindebürgermeister Horst Hofmann parat. „Wir steuern zwei Bahnhöfe an. Das sind zwei tolle Ziele und Grundlage für unseren Erfolg“, meinte Horst Hofmann. Auch Martin Borchers, der die Geschicke des Bürgerbusvereins seit der Gründungsversammlung am 16. September 2010 leitet, weiß, warum das mit inzwischen zwei Bussen agierende System so gut funktioniert. Ein Vorteil sei, dass man in Ottersberg im Takt mit den Zügen fahre und die Bahnhöfe in Ottersberg und Sagehorn mehrmals täglich ansteuere, erklärte der frühere Lufthansa-Pilot aus Fischerhude, der als weitere Pluspunkte die für die Busfahrer äußerst attraktiven Strecken in der Gemeinde und das gute Teamwork innerhalb des 73 Mitglieder starken Vereins angab.

Eine weitere Besonderheit, die Borchers hervorhob, ist der hohe Anteil an Busfahrerinnen. Während in den meisten anderen Kommunen mit BürgerBus nur etwa 20 Prozent der Fahrer weiblich sind, verzeichnet der Ottersberger BürgerBus unter den 31 Fahrern gut 40 Prozent Frauen hinter dem Lenkrad. Sein erklärtes Ziel, die Lücken im Personennahverkehr als Ergänzung zu den großen Buslinien im Flecken Ottersberg zu schließen, hat der hiesige Bürgerbusverein bisher klar übertroffen. Als „ganz außergewöhnlich“ bezeichnete etwa Stefan Bendrien die Fahrgastzahlen, die in der Ottersberger Statistik ausgewiesen sind. Mit respektablen 500 Fahrgästen hatte der Bürgerbusverein damals den ersten Monat abgeschlossen, mittlerweile überschreiten die Aktiven monatlich regelmäßig die 2000er-Marke.

Doch bei allen Erfolgszahlen gibt es natürlich auch bei dieser ehrenamtlichen Initiative das eine oder andere Problem. Finanziell, berichtete Martin Borchers, trage sich das Bürgerbus-System noch nicht ganz von selbst. Im Jahr sind es rund 12 000 Euro, die der BürgerBus im Minus liegt. „Wir müssen das irgendwie auffangen und wollen dabei der Gemeinde nicht zu sehr auf der Tasche liegen“, erklärte Borchers, der neben den Erlösen aus dem Fahrgeschäft die Reklame als wichtige Einnahmequelle sieht.

Im Februar 2013 nahm der Bürgerbusverein einen zweiten Bus in Betrieb. Seitdem verkehren die Busse im Flecken Ottersberg auf den Linien 788 zwischen Benkel, Posthausen und Stuckenborstel sowie 789 im Pendelverkehr zwischen den Bahnhöfen in Ottersberg und Sagehorn.